Kulturgut
Durch die Referenz an die historische Typologie tritt die Architektur der bewohnbaren Scheune von Denzer & Poensgen in einen subtilen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, statt durch formale Anbiederung zu historisieren. So entstand ein herrlicher Lebensraum für die ganze Familie, der sowohl Alt und Neu als auch Innen und Außen verbindet.
Sie hatten bereits einige Bauwerke der Architekten gesehen und nahmen sich vor: Sollten sie jemals ein Zuhause für sich umbauen oder neu erschaffen, dann mit Denzer & Poensgen. Nun war es soweit. Die Bauherren fanden ein Gebäude und verabredeten sich vor Ort mit ihren Wunscharchitekten. Während Georg Poensgen das Objekt eingehend betrachtete, erkundigten sich die Architekten nach den Vorstellungen seiner Bauherren und wunderte sich. Denn das, was sie sich wünschten, schien etwas ganz anderes zu sein als das, was er hier vor Ort erkennen konnte. Das verstanden auch die Bauherren. Sie stimmten ihnen zu und meldeten sich nur ein paar Wochen später mit einem Grundstück inmitten unberührter herrlicher Landschaft, welches etwa ein Kilometer östlich von dem Ortskern Nettersheim in der Eifel liegt. Sie erträumten sich ein neues Zuhause, in dem sie und ihre drei Kinder sich wohlfühlen, frei bewegen können und das die Natur miteinbezieht. Das Architektenpaar schaute sich den Platz an, wo das neue Haus entstehen sollte – herrliche Naturlandschaft, wo sie nur hinsahen. Doch sie wussten auch, durch die Erschließung des neuen Bebauungsgebietes mit einer heterogenen Bebauung wird es hier schon bald ganz anders sein.
Ursprünglich war diese landschaftliche Umgebung geprägt von Feldscheunen, Schuppen oder anderen landwirtschaftlichen Gebäuden. So kamen Andrea Denzer und Georg Poensgen auf die Idee, für die Familie ein Haus ganz im Sinne des ursprünglichen Kulturgutes zu errichten und dem ehemals landschaftlich geprägten Umfeld ein historisches Bild hinzuzufügen. Und so kam es, dass das Architektenpaar gemeinsam mit ihren Bauherren eine bewohnbare Scheune konzipierten.
Durch die Pforte am Innenhof gelangt man über das Herzstück des Hauses zum eigentlichen Eingang. Dieser geschlossene Außenraum in Süd-West-Ausrichtung ist so geplant, dass er in den Sommermonaten mit dem Wohn- und Küchenbereich verschmilzt und zu allen Jahreszeiten das Sonnenlicht im das ganzen Haus erlebbar macht. Betritt man das Haus, so findet sich rechter Hand die offene Küche mit Essbereich. Der Wohnraum, separiert von Kochen und Essen durch ein Bad, öffnet sich wie eine Vitrine der Umgebung: Linker Hand zum idyllischen Innenhof, rechts durch den Garten in die herrliche Eifellandschaft. Durch diese Position bildet er nicht nur die funktionale Mitte, sondern die eigentliche Verbindung zwischen Innen und Außen.
Der sonne begegnen
Die dienenden Räume des Hauses, wie Abstellraum und Hauswirtschaftsrum mit Technik, finden sich im separaten Seitenflügel des Erdgeschosses. Zwischen Küche und Seitenflügel verläuft die zweiläufige Holztreppe, über die man in das Obergeschoß des Hauses gelangt, wobei der Holzbelag im Obergeschoss fließend in einen langen Hausflur übergeht. Er verteilt drei kleine Kinderzimmer, ein kleines Bad und den Elternbereich Richtung Garten und verwöhnt jeden Bewohner mit einem herrlichen Blick in die landschaftliche Schönheit. Versehen mit einem langen Arbeitsbereich und Blick in den Innenhof dient der langegezogene Flur hier als Atelier der Kinder zum Spielen und Arbeiten.
Mit 130 Quadratmetern Wohnfläche sind die Räumlichkeiten recht klein gehalten. Hier herrscht die Farbe Weiß, die alles miteinander verbindet und die Räume größer wirken lässt. Der Sichtestrich im Erdgeschoss vereint alle Räume im Erdgeschoss miteinander und harmoniert farblich mit dem Gestein im Innenhof, sodass Innen und Außen fließend ineinander übergehen. Licht spielt in diesem Haus eine große Rolle. Am nordöstlich gelegenen Garten geht die Sonne auf, im Südwesten geht sie unter. Mit dem Innenhof in nordöstlicher Ausrichtung ist sowohl das Morgen- als auch das Nachmittagslicht eingefangen. So lässt sich das Tageslicht zu jedem Zeitpunkt wahrnehmen, trotz der ursprünglich eher ungünstigen Ausrichtung.
Die komplette Konstruktion des Hauses ist als Holz-Rahmenbauweise ausgeführt. Die hinterlüftete Außenfassade ist aus grau lasiertem Lärchenholz und stellt somit eine weitere Verortung zu den landwirtschaftlichen Gebäuden her. „Meine Frau Andrea Denzer und ich schaffen alles gemeinsam. Wir bilden das Team und binden die Bauherrenschaft darin ein. Wie sagt man so schön: Bauherren schaffen die Probleme und Architekten die Lösungen“, erklärt Poensgen. Doch ein solches Ergebnis ist nur möglich, wenn Architekten, Bauherren und Handwerker nicht nur ein Team sind, sondern auch ein klares Ziel vor Augen haben. Das Architekturbüro Denzer & Poensgen transformierte das horreum (lat. Lagerhaus/Scheune) in eine Wohlfühloase für eine ganze Familie, die so klein wie möglich, so groß wie nötig ist und Räume schafft, die das Außen mit dem Innen verbindet.
„Die Bauherren haben verstanden, woran wir uns orientieren. Erst kürzlich meldeten sie sich zurück und meinten: ‚Wir sind richtig stolz darauf, eine Verlängerung Eurer Gedanken darzustellen, die sich mit Le Corbusier beschäftigen‘.“ Denn in diesem Bauwerk von Denzer & Poensgen erkennt man das Ganze im Detail und das Detail im Ganzen.
PLANER
denzer&poensgen, Marmagen
LAGE
Nettersheim
BAUJAHR
2017-2018
FLÄCHE
Wohnfläche 130 qm, zusätzliche Nutzfläche 57 qm, Atrium 50qm
STATIKER/WÄRMESCHUTZ
Gotthardt+Knipper, Schleiden-Gemünd
HOLZINGENIEUR Wolfgang Hupp, Hellenthal-Reifferscheid
HOLZBAU
Martin Engel, Hellenthal
DACHDECKER
Esch & Scholzen, Schleiden
HILS
Andreas Kautz, Marmagen
SICHTESTRICH
Fa. Hofmann, Kall-Golbach
ELEKTRO
Peter Theilig, Kall-Golbach
FOTOS Rainer Mader