Natürliche Schönheit

Das Studio asdfg der Architekten Philipp Loeper, Alexandra Schmitz und Ulrich Grenz realisiert ein Familienrefugium mit sehr eigenem architektonischem Ansatz in weitestgehend unverkleideter Holz-Massivbauweise.

Bei einer Planung von Einfamilienhäusern passiert es eher selten, dass die Bauherren zu Beginn der Zusammenarbeit den Architekten die Aufgabe geben, sie herauszufordern.

Und bei dem Bauvorhaben war auch aufgrund dieser Vorgabe den Architekten von asdfg schnell klar, dass sich hier die besondere Gelegenheit ergibt, im Dialog mit der Bauherrenfamilie ein Wohnhaus mit sehr eigenem architektonischem Ansatz zu realisieren. Die Idee war, ein offenes Wohnkonzept mit Höhenver­sätzen zu schaffen, mit Treppen, die nicht nur der Erschließung dienen, sondern zu Aufenthalts- und Spielflächen werden, mit einem Schrank, in dem nicht nur verstaut, sondern auch geklettert werden kann. Vor allem aber ließen sich die Bauherren von einer weitestgehend unverkleideten Holz-Massivbauweise überzeugen, bei der die Fügung und Schichtung der konstruktiven Bauteile im Zentrum steht – und nicht eine fugen- und makellose Oberfläche.

Das etwa 950 Quadratmeter große Grundstück liegt in einem von freistehenden Einfamilienhäusern geprägten Wohngebiet in Hamburg Othmarschen in fußläufiger Distanz zur Elbe. Prägend für die Umgebung sind dicht gewachsene Buchenhecken, die an den Grundstücksgrenzen verlaufen. Bei der Planung kam die Frage auf: Wer weiß, wie lange der private PKW noch gebraucht wird? Daher verzichtete die Bauherrenfamilie ganz bewusst auf eine Garage oder ein Carport zu Gunsten einer unverstellten Eingangssituation. 
Zumindest sollte das Auto nicht einen derart zentralen Stellenwert bekommen. Und so konnten die asdfg-Architekten einen überdachten Eingangsbereich mit dem Durchgang in den Garten als großzügigen Ankunftsort gestalten.

Der Mittelpunkt des Gebäudes ist das offen gehaltene Erdgeschoss, in dem alle Wohnräume frei um einen mittigen Kern angeordnet sind. Durch Höhenver­sätze werden unterschiedliche Bereiche mit vielseitigen Blickbeziehungen geschaffen, ohne die Offenheit einzuschränken. Der zentrale Kern beinhaltet Funktionselemente wie WC, Stauraum, Küchenschränke und eine großzügige Treppenanlage. Neben den Funktionsräumen beinhaltet das Untergeschoss einen nach Süden ausgerichteten und durch raumhohe Glas­elemente sowie schmale Lichthöfe großzügig belichteten Gästebereich, einen Toberaum, ein Arbeitszimmer, sowie das „kleine Wohnzimmer” mit großem zusätz­lichem Oberlicht. Das Untergeschoss kann auch unabhängig über eine Außentreppe erschlossen werden.

Besonderes Kennzeichen des Refugiums:
Natürlich Holz!

Die Treppenanlage bildet nicht nur die Verkehrsfläche, sondern verbindet die Ebenen und Räume durch eine offene Gestaltung und wird durch integrierte Sitzflächen und Podeste zum eigenen Aufenthaltsbereich. Über sie gelangt man in das Obergeschoss, in dem sich die angeordneten Individualräume befinden, aufgeteilt je Seite in Bereiche für die Eltern und die Kinder.

Das, für „Häuser des Jahres 2023“ no­minierte Wohnhaus, wurde weitestgehend mit nachhaltigen und ökologischen Baustoffen und mit hohem Vorfertigungsgrad errichtet. Durch den Einsatz einer Wärmepumpe in Kombination mit einer Photovoltaikanlage auf dem Hauptdach, konnte dem Wunsch der Bauherrenfamilie entsprochen werden, auf den Einsatz von ­fossilen Brennstoffen zu verzichten.

Der in Stahlbetonbauweise hergestellte Keller dient als Sockel für das darauf in Massivholzbauweise errichtete Wohnhaus. Konzeptioneller Ausgangspunkt war die Sichtbarkeit des Holzes in all seinen Erscheinungsformen. Die Wände und Decken aus Brettsperrholz bleiben unverkleidet. Die verschiedenen Aufbauten der Holzbauteile mit ihren Schichtungen und Fügungen sind das gestalterische Hauptmerkmal. Das Prinzip des Unverkleideten setzt sich in weiten Teilen auch bei den Böden fort, wo Zement- und Calciumsulfat-Estriche sichtbar bleiben und geschliffen und versiegelt werden. Zum Schutz von Laufwegen und Holzoberflächen in stärker beanspruchten Bereichen wurden einzelne Flächen gezielt mit Linoleum oder Kautschuk belegt und so zudem farbig akzentuiert.

Um die Offenheit des Grundrisses auch im Tagesbetrieb der Familie erhalten zu können, sind der Großteil der Wände, Stufen und potentielle Hohlräume mit Sitznischen und Stauraum ausgefüllt. Auch nach außen hin zeigt sich die Holzbauweise durch die Fassaden aus Weißtanne. Durch einen Wechsel aus geschlossenen und weit geöffneten Feldern, aus horizontalen und vertikalen Schalungen, sowie durch die in den Achsen angeordneten hervorstehenden Pfosten, werden die Fassaden in einem umlaufenden Rhythmus gegliedert, und vermitteln einen Eindruck von den dahinter liegenden Raumzusammenhängen.

Mit asdfg hat vermutlich jeder von uns schon etwas zu tun gehabt. Die Buchstabenkombination ist nicht nur der Name des Architekturbüros, sondern die Buchstabenfolge der 2. Reihe auf der Tastatur. So ist asdfg keine Abkürzung und keine Festlegung für irgendetwas. Viel mehr steht diese Buchstabenreihe für Offenheit – für Inhalte und auch für die Personen dahinter.

www.asdfg.co


ARCHITEKTUR Alexandra Schmitz, Dipl.-Ing. Architektin; Ulrich Grenz, Dipl.-Ing. Architekt; Philipp Loeper, Dipl.-Ing. Architekt
LAGE 
Hamburg Othmarschen
BAUJAHR 
  2022
FLÄCHE 
950 qm
TRAGWERKSPLANUNG
 Planungswerft Schuchard & Stolte,
Ingenieurgesellschaft, Husum

INTERIOR DESIGN/ EINRICHTUNGSBERATUNG 
Christine Krühler, Hamburg
ROHBAU Hermann Reese Baugeschäft, Bordesholm
HOLZBAU
 Zimmerei Elwardt, Bordesholm
DACHARBEITEN HANS.eatische DACH.technik, Hamburg
MALERARBEITEN  Claus Hein Malereibetrieb, Hamburg
TISCHLEREI  Steiniker & Krall, Hamburg

FOTOS René Graf